Carsten & Samuel Waldeck
Für die meisten von uns ist das Smartphone das Tor zur Welt. Mit dem Daumen auf dem Display wischen wir regelmäßig Meldungen über unfaire Produktionsbedingungen, tödliche Rohstoffkonflikte und katastrophale Entsorgungsverhältnisse bei unseren Lieblingsgeräten weg. Finster fragen wir uns: Was soll irgendjemand daran ändern können? Zwei Brüder aus Nordhessen brennen für nachhaltige Technik und ändern daran gerade fast alles.
Text & Fotografie: Jonathan Linker | Handlettering: Julia Wenderoth | Design: Jonas Seemann
So viel Gutes zu tun wie wir können und dabei so wenig Schaden wie möglich anzurichten ist der Unternehmensgrundsatz von SHIFT. Für die Gründer Carsten (rechts im Bild) und Samuel Waldeck bedeutet das auch, Investoren und Banken aus ihrer Firma herauszuhalten, um jeden Cent des Unternehmensgewinns nach eigenen Vorstellungen in nachhaltige Projekte investieren zu können. So wie einen unverpackt Laden in einem aufgegebenen Fachwerkhaus in ihrem Heimatort.
Glück bedeutet, nicht nur sich selbst im Blick zu haben
Alle großen Hersteller von Smartphones gelten als genial und gehören zu den wertvollsten Unternehmen unserer Zeit. Dabei haben einige von ihnen ein schwieriges Verhältnis zu Umwelt, Rohstoffen und den Menschen, die für sie produzieren. Das sagt viel darüber aus, wie die westliche Welt heute Erfolg definiert. So ist es auch nicht erstaunlich, dass wir immer wieder schicksalsgläubig nachhaltigen Entwicklungszielen abdanken und damit Gestaltungsfreiräume für unsere Zukunft aufgeben. Die Geschichte von SHIFT klingt in diesen Zeiten wie ein Manifest, tatsächlich aber ist sie die Anleitung für ein glückliches Leben. Denn die Motivation für die Gründung des Unternehmens war im Kern der Wunsch nach einem zufriedenen Leben.
In 4 Schritten an die Weltspitze der Smartphones
Nebenberuflich haben die beiden Designer aus Falkenberg schon seit 2003 eigene Produkte entwickelt und verkauft. Für die Herstellung von Microfasertüchern zur Reinigung geliebter Gadgets knüpften sie Kontakte nach China, weil es keine Produzenten in der EU gab. Als Spiegelreflexkameras auch Hobbyfilmern hochwertige Filmaufnahmen ermöglichten, bauten die beiden einen kompakten Kamerakran, der von einer Person allein bedient werden konnte. Über Crowdfunding sammelten sie mehr als 100 tausend Euro für den iCrane und erreichten damit die damals erfolgreichste deutsche Kampagne auf Startnext. Für Carsten war nichts daran genial: “wir haben einen Prototyp gebaut und ein schönes Video gemacht mit dem wir unsere Idee erklärten und die Menschen haben unsere Idee unterstützt.” Die Brüder hatten jetzt die logistische Infrastruktur, um auch größere Märkte erreichen zu können. Als der Bedarf nach einem externen Monitor für den iCrane wuchs, stellten sie Kontakte zu Techniklieferanten her und kamen ihrem heutigen Produkt wieder einen Schritt näher.
Endlich machen, was wir schon immer machen wollten
“Plötzlich sahen wir die Chance, all die nervigen Dinge unserer Smartphones, die schlechte Reparierbarkeit, die fest verbauten Akkus und die geschlossenen Systeme zu verändern”, beschreibt Samuel den Moment, als sie anfingen zu überlegen, wohin sie ihr junges Unternehmen steuern wollen. Ende 2014 gründeten sie mit ihrem Vater die SHIFT GmbH und verkauften noch im Weihnachtsgeschäft ihre ersten Smartphones. Wie ist das möglich? Die Geschichte von SHIFT zeigt das Potenzial unserer arbeitsteiligen Wirtschaftswelt: Zulieferer bündeln Knowhow und Produktivität. Wer ein nachhaltiges Smartphone will, braucht es nur zu bestellen. Die Brüder hatten die Ausdauer ihre Vorstellungen von einer fairen Produktion umzusetzen, weil ihnen treue Kunden und ein überzeugtes Team Zuhause in Falkenberg die nötige Zeit gegeben haben. Seit 2018 betreiben sie einige eigene Fertigung in Hangzhou, China nach ihren Vorstellungen von fairer Arbeit. Ihre Botschaft: Gutes tun war noch nie so einfach.
Carsten und Samuel Waldeck im Interview
„Wir wollen nur ein zufriedenes Leben führen – und das wird uns in der Region so leicht gemacht.“
Was bietet euch die
Region Homberg?
Günstigere Mieten für Wohn- und Geschäftsräume, mehr Raum zur Entfaltung, Entschleunigung, Natur, Ruhe, Ausgleich. Wer auf die Suche geht, findet Perlen: spannende Initiativen und Menschen.
Was könnt ihr für die
Region tun?
Arbeitsplätze schaffen, auf unsere Region aufmerksam machen, Menschen einladen, die Attraktivität vorleben. Einen Dorfladen ins Leben rufen. Ein Magnet sein, das Interessierte anlockt.
Was fehlt euch in der Region?
Schnelles Internet ohne Volumenbegrenzung! Günstige öffentliche Verkehrsmittel. Mehr Lokale, Restaurants, Läden mit innovativen Ideen wie unverpackt.
Was wünscht ihr euch für die kommenden Jahre?
Das wir in Nordhessen den Wert unserer Region erkennen und lernen gut mit diesem Wert zu haushalten. Uns vom stoffeligen Nordhessen zu einem einladenden, offenen und vielversprechenden Gastgeber wandeln.
Unser Lieblingsort
Felsen oberhalb der Sauerburg
In die Ferne zu blicken und eine neue Perspektive zu bekommen ist für mich ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Hier empfinde ich Fernweh und Heimatgefühl im gleichen Moment.